Hans Leister – Der Tunnel

Unterdurchschnittliches Buch, an der Schwelle zu schlecht – sorry.

Hans Leister ist von der Ausbildung her – wie ich – Wirtschaftsingenieur und war lange bei der Bahn als Zugführer beschäftigt. Der Tunnel ist sein Erstlingswerk und falls er das will kann er sogar eine Fortsetzung schreiben, das (ums höflich auszudrücken) bizarre Ende läßt das befürchten. Aber der Reihe nach.

Um die Story kurz anzureißen: Ein Zug mit 300 Leuten an Bord fährt in den Gotthardtunnel und mittendrin ist plötzlich Strom und Kommunikation weg. Später in der Story treffen die Zuginsassen noch auf Soldaten die ebenfalls im Tunnel eingesperrt sind weil draußen… ists düster. Und der Rest dreht sich dann um die Lösung des Rätsels. Oder nicht? Ich will nicht zuviel spoilern. Auf alle Fälle ist die Story interessant und auch gut geschrieben, Leister schafft es daß man dran bleibt und wissen will wies weitergeht. So, daß war das Gute an dem Buch.

Negativ, um nur 3 Sachen zu nennen sind seine Charakterentwicklungen, sein Stil und das Ende des Buches.

Das Buch ist aus mehreren Perspektiven geschrieben, was eigentlich ganz nett ist, aber Leister lässt sich viel zu wenig Zeit seinen Charaktern Eigenleben zu verpassen, die sind einfach nur blutleer und sie sind auch allesamt langweilig. Ich will keinen unfairen Vergleich machen aber wenn man das z.B. mit Jennifer Egan´s „A visit from the goon squad“ nebeneinander stellt ist da eine schriftstellerische Welt dazwischen. Aber gut, langweilige Charaktere gibts in vielen Büchern, muss ja trotzdem nicht schlecht sein.

Der Stil des Buches ist naiv und trocken, sehr trocken, so trocken wie Steine in der Atacama. Es ist teilweise eine Qual und wenn die Story nicht so interessant wäre hät ich es nach 20 Seiten weggelegt. An einer Stelle 50 Seiten vor Schluss hät ichs dann trotzdem fast getan, auch wenn die Story da so ziemlich auf dem Höhepunkt und die Spannung am größten war. Es gibt da einen Charakter der sich Sorgen um seine Familie macht die in einem Ort lebt der Brokoli oder so heißt (Gottseidank hab ich das mittlerweile aus dem Kopf) und in jedem seiner verdammten inneren Monologe dreht sich jeder zweite Satz um diesen gottverdammten Ort – was ein Riesensch… Unglaublich frustrierend. Für wie vergesslich hält mich der Autor? Denkt der ich bin blöd? Will er damit Dringlichkeit andeuten? Etwa Spannung erzeugen? Ich weis es nicht. Also für den Stil 2 von 10, höchstens. Kinderbücher oder von Kindern geschriebene Bücher könnten da noch drunter aber nur vielleicht.

Am problematischsten ist aber das Ende, bzw. die letzten 40 Seiten, da vergeigt er die ganze schöne Story… Das Ende ist, und das hab ich so noch nie gelesen oder in nem Film gesehen, halboffen. Kann ich jetzt schlecht erklären, da ich nicht spoilern will, aber es ist halt weder offen noch abgeschlossen. Und das funktioniert nicht, meiner Meinung nach. Entweder du lässt es offen, was die wenigsten machen, da es vor allem bei Gruselszenarios die Leser/Zuschauer eventuell verstört zurücklässt (mein absolutes Lieblings-Offenende ist die Kurzgeschichte „Der Nebel“ von Stephen King) oder du schliesst die Story ab um, naja deine Geschichte halt zu Ende zu erzählen (meine absolutes Lieblings-Geschlossenende ist die Verfilmung von „Der Nebel“. Wenn ihr euch das mal geben wollt dann folgendermaßen: Erst das Buch lesen, verstört sein, dann den Film schauen (eigentlich kann man den bis 10 Minuten vor Schluss vorspulen, ist halt nur n Standard-B-Movie mit Splatterkram) und dann bleibt euch aber mal richtig die Kinnlade unten – versprochen.). Ach, jetzt bin ich zu so was schönem abgedriftet und muss wieder zurück in den Tunnel. Also das Ende ist jedenfalls ganz großer Mist.

Ok, auf der Habenseite ist nicht viel, schwer interessante Story, interessante Erzählperspektiven und ja, das wars. Und halt n Haufen negatives. Also unterdurchschnittlich.

Ach weisste was?, ich spoiler jetzt die Story, da ich das Buch eigentlich nicht empfehlen will. Wers dennoch machen will sollte jetzt aufhören zu lesen, ciao.

Also ums kurz zu machen, in Tunnel geht wie gesagt das Licht aus, ein Nebenschacht des Tunnels führt in einen Versorgungsbunker der Schweizer Armee. Es kommt dann zu einem friedlichen Zusammentreffen der beiden Gruppen und die Soldaten erkunden draussen, finden aber nur Düsternis und Staub vor. Spätere Erkundungen zeigen eine total verwüstete Landschaft, viele Tote, wenig Überlebende. In Zug befindet sich eine Schulklasse die als die hellsten Köpfe im Buch dargestellt werden, deren Klassenlehrerin sich zur Führungsperson entwickelt, während sowohl die Zugführer wie auch die Soldaten mit 2 Ausnahmen als wenig handlungsfähige, nette Trottel dargestellt werden, von den Zugpassagieren mal ganz zu schweigen, wie gesagt die Charakterentwicklung ist total mies. (Der Hauptmann der Soldaten ist auch der mit den Sorgen um Brokoli. Mein Gott.) Naja, jedenfalls kommt eine Schülerin nach ein, zwei Wochen totaler Ratlosigkeit auf allen Seiten auf die Idee, das könnte ja ein Kometeneinschlag oder Supervulkanausbruch gewesen sein. Der Hauptmann der Soldaten denkt die ganze Zeit es ist Krieg, obwohl keine Radioaktivität messbar ist, jegliche Kommunikation zusammengebrochen ist und der Himmel ne Woche lang dunkel ist. Keiner der 300 Zugpassagiere oder 100 Soldaten kommt eher auf die Idee mit dem Einschlag. Absolut unglaubwürdig.

Das Ganze endet dann sehr unvermittelt weil der Tunnel von irgendwelchen marodierenden Typen mit Waffen angegriffen wird, wobei einer der sympatischen Soldaten ums Leben kommt. Ob der Angriff Erfolg hat, wies weitergeht ist offen, die Story endet nämlich an dieser Stelle… Das wär an sich kein schlechtes Ende, da Leister vorher so n bischen beschreibt wie sich die Leute auf n paar Jahre Finsternis und Leben im Bunker vorbereiten. Wie gesagt, das Szenario ist nicht schlecht, so (Post-)Apokalypse. Spannend auf alle Fälle.

Aaaaaber, es geht ja noch 40 Seiten weiter. Und zwar mit einem Sprung „viele tausend Jahre später“ wo sich auf dem afrikanischen Kontinent eine neue Zivilisation gegründet hat die zum Zeitpunkt der Erzählung etwa den technischen Stand vom ausgehenden 19. Jahrhundert hat und in der Schwarze über Weiße herrschen (ob das n interessanter Twist oder nur plumpe Effekthascherei ist? Weiß nicht, ich finds auf alle Fälle unnötig, aber das sind die letzten Seiten so oder so.) Naja, jedenfalls tischt er uns da ne nichtmal halbgare, hanebüchene Detektivkurzgeschichte auf, an deren Ende klar wird, daß sich inmitten von „Uropa“ Barbarenstämme auf eine Tunnelzivilisation von vor ewig langer Zeit berufen. *facepalm* Keine Erklärung was passiert ist, nur mystisches Geschwurbel über eine Mutterfigur (die, wie sollte es auch anders sein, die Klassenlehrerin ist) und Stämme die von einzelnen Schülern abstammen und die weise Intelligenzbolzin die als erstes den Geistesblitz mit der Dino-Ende-Analogie hatte. Selten so was an den Haaren herbeigezogenes, naives Zeug gelesen.

Also wenn ihr bis hierher gelesen habt, wisst ihr was ihr zu tun habt: Geht zum Buchhändler eures Vertrauens, kauft euch „Im Morgengrauen“ von Stephen King, lest darin „Der Nebel“, besorgt euch parallel die DVD, zieht euch das Ende rein und seid fasziniert, schockiert und begeistert, daß eine Geschichte euch so anfassen kann.


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